Western Addiction haben am 15. Mai 2020 ihr drittes Full-Length Frail Bray (Review) via Fat Wreck Chords veröffentlicht. Dieses haben wir zum Anlass genommen Frontman Jason Hall ein paar Fragen zum Album, den Corona-Auswirkungen und den Schattenseite des Musik-Business zu stellen.

Ich schätze Musik jetzt viel mehr, seit ich nicht mehr in der Musikindustrie arbeite. Das Musikgeschäft hat mich doch sehr enttäuscht … es geht ihnen nicht darum „gute Musik“ herauszubringen.

AFL: Hey…Gratulation zu diesem geilen Album, aber bevor ich zu diesem komme, möchte ich dich erst einmal fragen, wie es dir und euch in diesen Corona-Zeiten so geht?

Dankeschön fürs fragen, uns geht es gut. Ich habe das Glück, dass ich von zu Hause aus arbeiten kann. Da sieht es bei meiner Frau, wie bei vielen, leider anders aus, denn ihr Geschäft ist geschlossen und das ist schon nicht ganz einfach.
Zu meiner Situation muss ich aber noch sagen, dass es derzeit echt eine der ungünstigsten Zeiten der jüngeren Geschichte ist, um eine Platte zu veröffentlichen. Aber dennoch möchte ich mich jetzt nicht wirklich beschweren, denn die Welt leidet noch ganz anders.
Aber ich sehe auch einen Silberstreifen, denn im Moment bekommt unser Plant endlich mal wieder bisschen Luft. Der Himmel ist klarer und die Luft frischer.
Ich wünschte, wir könnten alle aus dieser Zeit lernen und darüber nachdenken, was wir der Erde alles antun.

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AFL: Ihr seid in der Bay Area beheimatet. Ist es bei euch schon absehbar welche Folgen der Shutdown für kleine Clubs und Bands haben wird, die auf Live-Auftritte angewiesen sind?

Für die Clubs in der Bay Area wird es sehr schwierig werden und ich bin sicher, dass sich einige von ihnen auch nicht wieder erholen werden. Leider ist das hier aber auch nichts neues, denn die Clubs sterben hier schon länger und die Veranstaltungsorte schließen immer wieder.

San Francisco ist das Epizentrum des Nebenprodukts des grassierenden Kapitalismus und dieser zerstört die Stadt (und die Welt). Ich war in vielen großen Städten auf der ganzen Welt und San Francisco ist eine der schmutzigsten. Es gibt menschlichen Abfall, Nadeln auf der Straße und die Obdachlosen werden schwer vernachlässigt. Es ist herzzerreißend.
Hier ist so viel Geld, aber die Infrastruktur ist trotzdem ein Chaos. Alles, was mich zu dieser Stadt hingezogen hat, als ich vor über 20 Jahren hierher gezogen bin, ist längst vorbei.

Ich bin keine Person, die sagt, dass früher alles besser war. Ich bin generell für Veränderung und Evolution, aber an dieser Stadt ist einfach etwas kaputt. Ich habe Freunde, die in diesen Clubs arbeiten die dauernd bedroht sind. Also geht dies über den Verlust von Musik hinaus. Dies wirkt sich persönlich auf Menschen aus, die ich liebe.

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AFL: Nun aber mal zum Album. Was hat euch rückblickend am Album am meisten überrascht…also wenn man einmal das Songwriting mit dem fertigen Produkt vergleicht. Gab es Songs die ihr euch beim Schreiben ganz anders vorgestellt hattet, als sie dann letztendlich waren?

Erst einmal muss ich sagen, dass es einfach immer ein tolles Gefühl ist, wenn ich sehe, wie die Band etwas, dass ich in meinem Schlafzimmer geschrieben habe, in ein vollwertiges Lied verwandelt. Dem werde ich nie müde.
Ich verspüre dann immer pure Freude und das Beste daran ist, es passiert zweimal.
Einmal passiert es, wenn wir das Lied zum ersten Mal im Übungsraum durchspielen und ein weiteres mal nachdem es aufgenommen wurde und wir das Endprodukt hören. Wenn die Jungs das Lied zum ersten Mal spielen trete ich aus meinem Körper heraus und beobachte wie sie es zum Leben erwecken und ich kann nichts anderes als zu lächeln, während ich singe. Es ist ein wirklich sehr gutes Gefühl.

Die Songs sind normalerweise zu 90% fertig, wenn ich sie zur Band bringe. Sie helfen dann dabei, ihnen den letzten Schliff zu geben. Wenn es einen Teil gibt, der keinen Sinn ergibt, arbeiten wir dann daran. Ich würde sagen, dass sie den Songs Stil und Geschmack verleihen.

Ich kann mir eine Million Ideen ausdenken, aber ich brauche sie, um sie zu verwirklichen.

AFL: Mich hat das Album auch echt bisschen überrascht. Es ist grooviger und man spürt an manchen Ecken Country, Stoner-Rock und diverse andere Einflüsse, wie bei Roses Hammer 2 und Wildflowers of Italy zum Beispiel. Wie kam es dazu? Lag das vielleicht auch an Produzent Jack Shirley?

Nun ja, ich mag einfach viele verschiedene Musikstile und versuche immer von anderen Genres zu lernen. Ich denke, ein gutes Lied ist ein gutes Lied, egal in welchem ​​Genre. Ich mag klassisches Country wie Johnny Cash oder George Jones zum Beispiel sehr. Diese Songs haben eine fantastische Struktur und Vokalmelodie. Ich mag aber auch die großen Riffs vom Stoner Rock ebenso wie Black Metal. In Roses Hammer I gibt es auch ein direktes Black-Metal-Tremolo-Picking.
Ich versuche immer all diese verschiedenen Stile durch den Western Addiction-Filter zu jagen und schaue dann was dabei herauskommt. So versuche ich mein Bestes um die Songs interessant zu machen. Wir als Band wollen unseren Sound aber auch immer weiterentwickeln.
Und was Jack Shirley betrifft, das war wirklich toll mit ihm zusammenzuarbeiten, denn er hatte noch einmal anderen Einfluss auf den Sound genommen. Zum Beispiel sagten wir Jack, dass wir eine große, helle Rock’n’Roll-Hardcore-Punk-Platte wollten. Heiß und chaotisch in der Leistung, aber kristallklar in der Produktion sollte sie sein. Und was soll ich sagen…er hat noch mehr daraus gemacht.
Ich kann einfach nur jeder Band empfehlen mit ihm zu arbeiten.

AFL: Wo wir gerade dabei sind, wie lief denn sonst die Zusammenarbeit mit ihm und was sprach gegen eine weitere Zusammenarbeit mit Joey Cape, der ja Tremulous produziert hatte. Hatte er keine Zeit oder keinen bock?

Wie gesagt, wir haben sehr gut mit Jack zusammengearbeitet. Er ist wahnsinnig professionell, versteht aber auch unsere Welt und unser Denken.
Ich bin ein ziemlich ängstlicher, intensiver Mensch und ich konnte spüren, dass er sehr strukturiert und ernst war und das hat mir gefallen. Er ermutigte uns auch die Platte live aufzunehmen und die Aufnahme wie eine echte Band klingen zu lassen.

Ich denke wir haben viel durch die Aufnahme mit Joey gelernt, aber man muss halt auch sagen, dass er immer sehr viel zu tun hat. So hatte er uns damals echt einen Gefallen damit getan, dass er unsere letzte Platte produziert hatte.
Joey hat vieles für uns als Band getan. Er hat für uns Shows organisiert, uns auf eine unglaubliche Tour durch Europa mitgenommen und ich zum Beispiel habe auch viel von ihm über Vokalmelodie und Phrasing gelernt. Zudem hat er uns als Band wertvolle Lektionen gelehrt, aber wir wollten seine Großzügigkeit eben auch nicht ausnutzen.

Ich bin keine gewalttätige Person, aber ich ermutige zu aggressiver Positivität und radikalen Maßnahmen zur Rettung unseres Planeten.

AFL: Euer Album beinhaltet, neben den neuen Einflüssen, ja auch klassische WA-Songs. Was glaubst du wie es zu der musikalischen Weiterentwicklung kam oder habe ich diese Seite in euren beiden Vorgängeralben einfach nie rausgehört?

Ich versuche stetig mein Songwriting zu verbessern, also habe ich ein paar neue Ideen ausprobiert. Das  funktioniert manchmal und manchmal eben nicht.
Als wir das letzte Mal durch Europa tourten, kamen mehrere Leute auf mich zu und sagten: „Ich mag was du schreibst, aber die Songs könnten etwas mehr Melodie gebrauchen.“
Sie sagten es auf sehr freundliche Weise und ich weiß auch was sie meinten.
Ich versuche sonst immer eine ausgewogene Mischung von Melodie und Attacke hinzubekommen, aber bei dieser Platte sollte es nun eben bisschen mehr Melodie sein. Da waren auch die anderen Instrumente wie Klavier und Bratsche sehr hilfreich, bei denen uns ein paar Freunde toll unterstützt haben. Darius Koski von Swingin ‚Utters spielt übrigens auch in ein paar Songs mit und Brenna von der Last Gang sang einige Backups. Das war super, denn ich mag auch grobe Sounds und Atmosphären.

Normalerweise habe ich bis zum fertigen Song sehr viele Ideen und wir reduzieren sie dann noch, damit es nicht zu inhomogen wird. Ich mag es nicht wenn Bands zu viele neue Instrumente hinzufügen, um die Weiterentwicklung voranzutreiben.

Ich hoffe wir haben genau die richtige Menge hinzugefügt. Jack Shirley half auch dabei. Er hat ein wunderschönes Studio voller cooler Spielsachen, aber er weiß, wann er etwas Neues ausprobieren muss oder wann etwas eben auch nicht funktioniert.

AFL: Ken, Chad und du habt ja mal bei Fat Wreck gearbeitet, wobei jetzt glaube ich nur noch Chad dort ist. In unserem Interview zu Tremulous hast du gesagt, dass du Musik wieder viel mehr genießen kannst, seit du nicht mehr im Musikbusiness arbeitest. Hat das professionelle Musikgeschäft dir deine Leidenschaft vielleicht auch bisschen entzaubert, da es am Ende doch wieder nur ums Geldverdienen geht?

Ja, Ken, Chad und ich sind alles ehemalige Angestellte von Fat Wreck und was ich damals gesagt habe trifft auch immer noch zu. Ich schätze Musik jetzt viel mehr, seit ich nicht mehr in der Musikindustrie arbeite. Das Musikgeschäft hat mich doch sehr enttäuscht.
Du siehst es auch genauso wie ich. Man muss es größtenteils einfach als „Musikgeschäft“ bezeichnen, weil diese Unternehmen damit beschäftigt sind, mit Musik einfach nur Geld zu verdienen. Es geht ihnen nicht darum „gute Musik“ herauszubringen.
Ich möchte jetzt aber auch nicht alle über einen Kamm scheren. Es gibt viele unabhängige und auch große Labels die gute Musik veröffentlichen, aber auch da ist es am Ende ein „Geschäft“.

Einer der am meisten missverstandenen Aspekte der Musik ist, dass gleichgesetzt wird groß zu sein und gute Musik zu machen. Das ist nämlich einfach falsch. Nur weil etwas ein „Hit“ ist, heißt das nicht, dass der Song „gut“ ist.

Ich bin manchmal frustriert, dass es so schwer ist Shows zu bekommen und es scheint mir manchmal so, dass die Kriterien für eine Show völlig zufällig sind und keinen Sinn ergeben.

AFL: Trotz des Titels finde ich eure Texte auf Frail Bray positiver als beim Vorgänger. Versuchst du in diesen doch manchmal etwas düsteren Tagen noch positiver in die Zukunft zu schauen als noch 2017 bei Tremulous?

Ja, da hast du recht. Diese Platte handelt von Hoffnung und Positivität. Darüber hinaus hat sie auch einen ganz anderen Ton und thematischen Inhalt als Tremulous.
Ich hatte da sowas wie eine Offenbarung, dass wir ja ohne Hoffnung nichts weiter haben. Die Menschen wollen immer wissen, was sie für die Welt und unseren Planeten tun können und die einfache Antwort ist, es einfach zu versuchen. Ich versuche jeden Tag herzlich zu sein und andere Menschen zu respektieren. Ich bin keine gewalttätige Person, aber ich ermutige zu aggressiver Positivität und radikalen Maßnahmen zur Rettung unseres Planeten.

AFL: Allgemein war ich bei unserem letzten Interview auch etwas überrascht, was für ein positiv denkender Mensch du bist. Das hätte ich aufgrund deiner Texte tatsächlich nicht ganz so erwartet. Warst du das schon immer oder ist das über die Jahre gekommen?

Ich versuche mein Bestes, um Positivität zu versprühen, aber ich bin eigentlich ziemlich ängstlich, introvertiert, düster und hatte lebenslange Depressionen. Mein Großvater brachte mir bei, mit den Schultern zu zucken und weiterzumachen. „Die Dinge sind hart, mach einfach weiter.“

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um aus einer Depression herauszukommen. Dazu gehören das Helfen anderer, das Beschäftigen und die Musik. Musik macht mein Leben lebenswert. Ich verlasse mich jeden Tag darauf. Ich muss mich sehr bemühen mich abzulenken, sonst überdenke ich immer alles. Ich denke viel nach und es ist schwierig mein Gehirn auszuschalten. Ich würde sagen, ich habe ein wildes Gehirn und manchmal ist das auch ziemlich anstrengend.

Ich hatte vor kurzem auch ein bisschen Angst um meine Gesundheit und ich denke das lag daran, dass ich mich übernommen hatte. Ich bin beim Joggen zusammengebrochen und mein Arzt sagte, dass mein Körper Probleme damit hat mit meinem Geist mitzuhalten. Ich denke mein Körper kam meinen ständig rasenden Gedanken nicht mehr hinterher. Nach dem Zusammenbruch musste ich dann mein Leben auch noch einmal ein bisschen verändern. Das war echt ziemlich beängstigend.

Es gibt nur wenige Gefühle auf der Erde, die der Kraft der Musik entsprechen.

AFL: Auf euer neues Album mussten wir zum Glück nicht wieder zwölf Jahre warten, wie es beim Vorgänger der Fall war. War euch direkt nach Tremulous klar, dass ihr zeitnah ein weiteres Album veröffentlichen wollt oder kam das nach und nach?

Ich glaube, ich habe sofort erkannt, dass ich eine weitere Platte machen wollte. Es gibt nur wenige Gefühle auf der Erde, die der Kraft der Musik entsprechen. Ich mag es wirklich sehr Songs zu machen und zu versuchen, die Geheimnisse des Songwritings zu entschlüsseln. Es ist wie eine unendliche Suche nach einem alten Rätsel. Außerdem wird es die Band auch nicht ewig geben und ich bin unglaublich dankbar für die Musik. Darum möchte ich so viel wie möglich in der Zeit tun, die wir haben.

Ich kann halt auch nicht für immer schreien. Eigentlich war es sogar schon ziemlich stressig, diese Platte fertigzustellen. Ich war ziemlich erschöpft und dachte wir könnten auf keinen Fall zeitnah einen weiteren Song machen. Und erst letzte Woche habe ich neue Riffs aufgenommen und letzte Nacht sogar einen Song geträumt. Ich stand sehr schnell auf und sang die Melodie in mein Handy.
Ich würde gerne versuchen einige Songs für jemanden zu schreiben, der wirklich singen kann.

AFL: Was ist denn dein persönliches Highlight auf dem neuen Album?

Die persönlichen Highlights sind die Gesangsmelodien und einige der Riffs. Ich habe wirklich hart daran gearbeitet Melodien für diese Platte zu machen. Für wirklich gute Sänger kommen die meisten Melodien ganz natürlich, aber ich muss da etwas härter für arbeiten und versuchen, so viele Kombinationen wie möglich zu finden und zu testen.
Es gibt auch ein Riff in They Burned Our Paintings, das ziemlich heiß ist. Normalerweise brauche ich einen der Jungs, um das Riff „gut“ hinzubekommen, aber ich denke es gibt einige auf der Platte die auch so ziemlich gut geworden sind.

AFL: Was für Highlights wünschst du dir denn abschließend noch für dieses Jahr, dass bisher ja nicht so toll verlief?

Nun, ich freute mich darauf Shows zu spielen, aber diese wurden alle abgesagt. Wir wurden auch für einige große Festivals in Europa gebucht, aber es sieht so aus, als würden auch diese abgesagt werden. Ich hoffe, dass die Leute die Platte mögen, aber bis jetzt scheint die Welt zu Recht ziemlich abgelenkt zu sein. Ich bin dankbar, dass wir die Platte fertiggestellt haben und freue mich immer noch, wenn ich Rückmeldungen zu dieser bekomme. Wir haben ein paar Videos gemacht, die ich für ziemlich cool halte. Ich mache sehr gerne Videos. Es ist interessant der Musik eine weitere Dimension zu verleihen. Ich quäle die Jungs dann ständig mit all meinen Ambitionen. Ich hatte all diese Requisiten, die ich zu unserem Video-Shooting mitgebracht hatte, und ich zog sie aus der Schachtel und sie sagten nur: „Alter, nein.“ Ha ha.

AFL: Vielen Dank für deine Zeit und eure Musik. Ich hoffe euch bald endlich mal live erleben zu dürfen…aber das wird wohl noch etwas dauern. Hast du noch ein paar letzte Worte für unsere Leser?

Vielen Dank für das Interview und das Auschecken unserer Platten. Ich liebe es wirklich in Deutschland zu spielen und hoffe, dass wir uns dort bald sehen. Ich denke wir sind oft eine missverstandene Band, aber in Deutschland ist das irgendwie anders.

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